Arthur Eloesser und Alfons Paquet

Die Todestage liegen sechs Jahre auseinander, fast auf den Tag. Am 14. Februar 1938 starb der Kritiker und Literaturhistoriker Arthur Eloesser in Berlin im Jüdischen Krankenhaus. Am 8. Februar 1944 starb der Lyriker, Dramatiker, Romancier, Essayist, Reiseschriftsteller Alfons Paquet in seinem Wohnhaus in Frankfurt am Main: im Keller. Genauer im Luftschutzkeller am Schaumainkai 17. Während eines Bombenangriffes stand sein Herz plötzlich still, es war morgens vier Uhr, ist zu lesen. Am 19. Oktober 1941 hatte Paquet die erste große Deportationsaktion in Frankfurt gesehen, am Tag danach in einem Brief geschildert: „Es heißt, dass alle diese Unglücklichen nach Lodz, Litzmannstadt, geschickt werden, dessen Ghetto längst überfüllt ist. Es wird eine Reise sein, die Wochen dauert, in Güterzügen, man wagt es nicht sich Einzelheiten auszumalen. Es scheint, dieselbe Sache ist auch in anderen Städten im Gange und wird nicht zuende kommen eh nicht die Letzten ausgestoßen sind. Und doch sind das alles nur Teile der grausigen Dinge, die im Osten geschehen.“ Paquet war informiert: am 18. Oktober 1941 fuhr in Berlin-Grunewald der erste Transport nach Litzmannstadt. Gut drei Monate später, ebenfalls von Grunewald aus, am 25. Januar 1942, der nun schon zehnte Transport aus Berlin, er erreichte am 30. Januar das lettische Riga.

Unter den Deportierten, die kurz nach ihrer Ankunft erschossen wurden, war Arthur Eloessers Witwe Margarete. „Der vorige Krieg war noch mild dagegen.“ Schrieb Paquet in seinem Brief. Sein Nachlass gilt als einer der vollständigsten aus jener Zeit. Dagegen muss Arthur Eloessers Nachlass als Totalverlust gezählt werden, obwohl ihm selbst das Schicksal seiner Frau und Tausender anderer Berliner Juden erspart blieb durch seinen Tod nach seiner zweiten Palästinareise 1937, von der er schwer krank vorzeitig zurückkehren musste. Ob je zwischen Paquet und Eloesser ein persönlicher Kontakt bestand, sie sich trafen, Briefe wechselten, ist nach derzeitigem Kenntnisstand weder zu behaupten noch in Abrede zu stellen. Auf alle Fälle hat der knapp elf Jahre jüngere Paquet noch Eingang gefunden in den zweiten Band von Eloessers Literaturgeschichte (1931 bei Bruno Cassirer)
„Die deutsche Literatur von der Romantik bis zur Gegenwart“, wenn auch erst fast am Ende der Darstellung und auf nicht einmal einer halben Druckseite. Eloesser erwähnt dort kein einziges der zahlreichen Bücher Paquets namentlich, keins der Gedichte, keins der immerhin vier Dramen. Das ist insofern besonders auffällig, als der Theaterkritiker Eloesser 1926 eines dieser Dramen besprach, wenn auch sehr kritisch. Eines der Reisebücher stellte er sogar schon 1912 vor, sehr ausführlich.

Die Passage aus der Literaturgeschichte sei hier vollständig wiedergegeben, auch deshalb, weil die beiden sehr lesenswerten Bände nur selten zitiert werden und auch tatsächlich Raritäten darstellen. „Der Rheinhesse Alfons Paquet war vor dem Kriege in Europa, Asien, Amerika herumgekommen, expressionistischer Reiseschriftsteller, Lyriker nach Whitman, Romancier, Journalist, ein Emissär des Deutschtums, der es auch zwischen Buddha und Nietzsche in der Geistes- und Kulturmitte von Europa befestigen wollte. Die Kunst sollte neue Stoffe, neue Organe und Mittel zu ihrer Beherrschung suchen, sollte nicht zu vornehm sein, um auch Volksversammlung, Mannesmannröhren, Bessemerstahl zu sagen. Paquet versuchte auch im Drama wie in der Lyrik, dieser Dichtermonteur zu sein, der als unsichtbarer Dirigent die ganze Menschheit als Chor versammelt. Aber diese Bemühung blieb rein literarisch; Paquets Bedeutung liegt zwischen Journalismus und Dichtung in einer weit schauenden, gern prophetisierenden Publizistik.“ Die Formulierung „Emissär des Deutschtums“ greift, typisch für das Verfahren Eloessers beim Umgang mit seinen eigenen früheren Texten, auf die einzige bisher bekannte explizite Buchkritik von seiner Hand zurück, am 4. Oktober 1912 in der Vossischen Zeitung gedruckt (Nr. 506, Morgen).

Kurz zuvor hatte Eloesser in seinem Blatt, dem er seit 1899 zulieferte, zwei Einakter von August Strindberg besprochen (Mit dem Feuer spielen; Gläubiger), danach „Herodes und Mariamne“ von Friedrich Hebbel. In der „Literarischen Umschau“, die jeweils als vierte Beilage der Vossischen Zeitung am Freitag erschien damals, stellte er am 27. September 1912 ein Buch von Otto Pniower vor, unter dem Titel „Dichtungen und Dichter“ im S. Fischer Verlag Berlin 1912 erschienen, 373 Seiten stark. Am 4. Oktober dann Paquets „Li oder Im neuen Osten“, 318 Seiten. 1913 erschien im damals noch in Frankfurt am Main sitzenden Verlag Rütten & Loening bereits die zweite Auflage, von Eloessers freundlicher Kritik vielleicht sogar zusätzlich befördert. Eloesser beginnt mit einer autobiographischen Skizze Paquets, die er wohl referiert, nicht aber ausdrücklich als Quelle angibt. Dann folgt ein überraschender Verweis auf einen Roman: „Alfons Paquet hat auch einen der interessantesten Romane geschrieben, die in den letzten Jahren erschienen sind. Im „Kamerad Flemming“ begräbt er gewisse jugendliche Schwärmereien, aber man ist sicher, dass auch seine Reise schwärmerisch bleiben wird, dass sie als eine fruchtbare männliche Kraft zu verwerten bleibt.“ Dass der Romantitel nicht korrekt wiedergegeben ist, fällt auf (richtig „Kamerad Fleming“).

Es ist denkbar, dass Eloesser sein Urteil aus ihm vertrauter, aber nicht preisgegebener Quelle bezog, ohne zusätzliche Informationen bleibt es Spekulation. „Alfons Paquet wurde vor kurzem zu einer autobiographischen Skizze veranlasst; er fand darin nicht viel über sich zu sagen, höchstens, dass sein Leben bisher auf nicht gewöhnliche Weise verlaufen sei. Man steckte ihn als Fünfzehnjährigen in einen Londoner Kaufmannsladen und er schrieb Gedichte, wie das Freiligrath und viele andere vor ihm getan haben. Mit zwanzig Jahren wurde er Journalist, lief nach der Mandschurei, weil er gerade etwas Geld in der Tasche hatte, und begann dann Nationalökonomie zu studieren. Dieser Student kam nicht von der Schule, um nach dem Rezept irgendeines Meisters Seminararbeiten zusammenzuflicken; seine ersten Untersuchungen politisch-geographischer Art beruhten auf gesehenen Dingen, auf Eindrücken und Erlebnissen, die er vor der Wissenschaft verantworten wollte.“ Das fußt auf Paquets eigener Darstellung, die nicht ohne Selbstironie verfasst scheint und zugleich einen sehr wichtigen Unterschied zu Kollegen markiert: das (freiwillige) Studium der Nationalökonomie, also nicht, um einen Familienbetrieb übernehmen zu können, öffnet mindestens den Weg zu Sehweisen auf nähere und fernere Umgebung, die dem Philologen verschlossen sind.

Dass der Kritiker Eloesser bei der Lektüre von „Li oder Im neuen Osten“ gar nicht erst in Versuchung gerät, das Sachbuch wie eine möglicherweise nicht ganz gelungene Dichtung zu behandeln, verrät zumindest seine Vielseitigkeit, aber eben auch die Solidität seiner Ausbildung, die eben nicht von Beginn an nur auf Literatur beschränkt war. So erklärt sich auch ein Vorschlag am Ende seiner Besprechung, die im strengen Sinne gar keine ist: „Ich schlage vor, dass man Paquet eine wichtige Mission überträgt, und er wird da draußen nicht schmachten und zetern wie sein Dichterkollege Stendhal, der nur in Civitavecchia den Konsul zu spielen hatte. Wer heute nur noch Diplomat ist und nicht einiges mehr, der ist zu wenig; wir brauchen Vertreter nicht der alten Routine, sondern unserer gesamten nationalen Energie, unserer Bildung und Kultur.“ Eloesser spricht hier wie ein Kritiker der offiziellen Politik des Deutschen Kaiserreiches, die er aber gerade nicht hinsichtlich ihres China-Engagements angreift. Sein Umschau-Text lässt nicht immer klar erkennen, wann er referiert, was Paquet schrieb, wann er eigene einschlägige Überlegungen und Vorschläge einbringt. Das hat sicher auch und zuerst mit inhaltlichen Übereinstimmungen zu tun.

„Aber unsere Kolonie ist weniger und mehr als ein rein wirtschaftliches Unternehmen, ein Ort der Selbstbesinnung, der geistigen Arbeit, des Denkens im fernen Osten. Bedeutende Männer Chinas haben die Ordnung erkannt, die das kleine Schutzgebiet zu einer Insel in dem über Ostasien hereinbrechenden Chaos macht, und nicht die schlechtesten haben in unruhigen Zeitläufen dort Zuflucht gesucht. Tsingtau kann ein Ankerplatz nicht nur des deutschen Handels werden, sondern auch der deutschen Wissenschaft, des deutschen Denkens, und somit ein heiliger Boden des Verständnisses zwischen zwei großen Kulturmächten, die in ihren tiefsten Gedanken, im Kern ihrer Ethik, in ihrer Art staatlicher Gesinnung sich berühren. Die wirtschaftliche Entdeckung Chinas, die sich jetzt vollzieht, kann nur der geistigen vorausgehen, die die dauernderen Eroberungen verspricht. England, Russland, Japan schicken nach China Vertreter, die Staatsmänner und Gelehrte zugleich sind. Paquet macht Vorschläge für den Ausbau eines groß gedachten, für sich bestehenden Chinadienstes durch das Auswärtige Amt.“ Das geht Eloessers Vorschlag voraus. „Wenn Paquet nur einer der vielen Feuilletonisten wäre, die heute in der Welt umherreisend sich alle Leckerbissen alter und neuer Kulturen zuführen, um sie ihren Lesern höchst selbstgefällig vorzukauen, so wäre ihm mit der Anerkennung und dem Absatz seiner Schriften bereits geholfen.“ Eloesser will mehr.

„Paquet reist durch Sibirien, die Mandschurei und Japan, reist wie ein politisch-ökonomisch-ethischer Emissär, der die Erscheinungen von Handel und Wandel notiert, der dem großen Eroberungszuge des europäischen Kapitalismus als geschulter Beobachter folgt, und der das Terrain feststellt, auf dem sich die Energie des deutschen Unternehmersinnes zwischen allen Rivalitäten noch ausbreiten kann. Am sichersten aber erscheinen ihm ethische Eroberungen und diese vollziehen sich nie ohne gegenseitige Durchdringung. Paquet verfolgt die wirtschaftliche Entwicklung Sibiriens, beobachtet das wilde Völkergemisch der Mandschurei, schildert das neue Japan, das den Europäern mit einer gewissen höhnischen Feindseligkeit ihre Methoden der Technik, der Industrie, der Kriegführung abgenommen hat, er besingt das alte Japan mit seinen innigen Naturfeiern, mit seinen Tänzen und Liedern zum Ruhme des ruhenden Gottes mit den geschlossenen Augen.“ Und ergänzend: „Der Dichter hilft dem Journalisten, seine Reiseblätter bei aller Ruhe und Zurückhaltung reizvoller zu machen, aber er erlaubt sich kein Träumen am Tage, kein untätiges Aufgehen in den Visionen des Orients.“ Wie sehr sich Eloessers Sicht auf gerade dieses Paquet-Buch von anderen Lesarten unterscheidet, sei knapp an Hermann Hesse vorgeführt.

Hesse schrieb nicht viel mehr als eine knappe Annotation: „Alfons Paquet, der ganz früh ein schönes Gedichtbuch veröffentlichte, der dann mehrmals in Ostasien war und Teile von Sibirien und der Mongolei auf Forschungsreisen durchwanderte, der ein gutes Stück Russland und China kennt und ein zartes Gefühl für zukünftige politische und wirtschaftliche Bildungen hat, berichtet in einem Buch „Li oder Im neuen Osten“ von da hinten sehr lebendig und gedankenvoll. Wer vom übergrellen Licht Amerikas nicht zu sehr geblendet ist, um noch ein Auge für die große kulturelle Zukunft des Ostens zu haben, dem kann das schöne Buch davon erzählen, dass es tatsächlich einen neuen Osten gibt.“ China war für Hesse ein Lektüre-Erlebnis, ein intensives auf jeden Fall. Selbst gesehen hat er 1911, was man damals Hinter-Indien nannte. Politik, Diplomatie, wirtschaftliche Interessenlagen waren seine Gegenstände gerade nicht. Diese Dinge nimmt aber der Kritiker Arthur Eloesser wichtig, ohne die Wirkung eben des Dichters Paquet auf den Journalisten Paquet als nur marginal zu betrachten. „Bismarck, der Männer der Feder zu Geheimräten, sogar zu Gesandten machte, wusste solche Naturen zu schätzen.“ Was nichts anderes sagen will als: Jetzt, 1912, ist da niemand mehr an verantwortlicher wie entscheidender Stelle, der so denken und auch handeln will.

„Er ist aber ein Mann, der wirken muss und darf, weil er die lebendige Idealität des Deutschtums vertritt, und es ist keine jugendliche Schwärmerei mehr, wenn er von einem neuen Orden spricht, von wandernden Schülern, gebunden durch das Gelübde, an der Vergeistigung der Erde durch deutsches Wesen zu arbeiten. Das Kupee der Eisenbahn, die Kabine des Dampfers sei die Klosterzelle, und jede Reise über die Grenzen des Vaterlandes eine Sendung im Gehorsam gegen die innere Stimme. Eine neue Generation entsteht, satt des Materialismus, religiös im Innersten, seufzend im Joch der Alltäglichkeit. Ihre Weltflucht will nach vorwärts, in die Einsamkeiten, in die Versuchungen und in die Größe des Weltbürgertums, dem die vom geistigen Zwecke der Nation Ergriffenen und Gehaltenen nicht erliegen werden.“ Der sehr viel profaner, sehr viel angreifbarer natürlich, gemeinte Spruch vom deutschen Wesen, an dem die Welt genesen soll, ist hier Richtung Sendungsbewusstsein gedacht. Darüber könnte man hinweg lesen, wüsste man nicht, wie brachial Juden wie Arthur Eloesser mit dem Jahr 1933 ihr Deutschtum zerschlagen wurde, wie übergangslos ihnen ihr Judentum bisweilen ganz buchstäblich eingeprügelt wurde. Im Blick auf Alfons Paquet war Eloesser sogar geneigt, durchaus problematische deutsche China-Politik unkritisch zu sehen.

Was das dramatische Schaffen und Wirken Paquets betraf, war er deutlich strenger. „Mit den Figuren der „Sturmflut“ bedaure ich zu gar keinem inneren Verkehr gelangt zu sein, obgleich ich Alfons Paquet sehr schätze als Romanschriftsteller, als Reisebeschreiber, als einen der klügsten, sichersten, taktvollsten Emissäre, die Deutschland schon vor dem Krieg in die Welt senden konnte.“ Auch hier wieder, man könnte es verräterisch nennen, das Wort Emissär. „Ich kam in gar keinen Verkehr mit dem Matrosen Granka Umnitsch, der ganz Petersburg an Milliardär Gad verkauft, der sich in die Wälder Russlands zurückzieht, um dann die Stadt mit seinen roten Genossen wieder zu erobern. Gewiss, Heinrich George gab ihm die Treue seiner Augen“. Für „Das blaue Heft“, in dem die Besprechung erschien, schrieb Eloesser anders als für andere Redaktionen, er dosierte Ironie und Selbstironie nach Bedarf. „Aber was für modern revolutionäre Reden er auch hielt, heimlich musste ich immer „Lederstrumpf“ zu ihm sagen. Zu dem Milliardär Gad sagte ich gar nichts, allenfalls, dass er sich nicht von Alexander Granach spielen lassen sollte, der … keine Juden spielen kann.“ Der Witz dieser Notiz („merkwürdigerweise“) besteht darin, dass Granach selbst Kind armer jüdischer Bauern aus Galizien war, das neunte gar. Ihm gelang 1933 die Flucht aus Deutschland.

„Es ist mir hinterher gesagt worden, dass diese Figuren alle etwas bedeuten, … Da ich aber, wie gesagt, faul und oberflächlich, leichtsinnig und kindisch bin, so verlange ich von den dramatischen Figuren zunächst, dass sie etwas sind, bevor sie etwas bedeuten.“ Über die theaterhistorisch höher als Paquets Spielvorlage bewertete Regieleistung hat sich Eloesser natürlich auch geäußert: „Erwin Piscator hat die feindlichen Brüder Film und Bühne sehr ingeniös zusammengebracht. … So resolut wie angenehm die Ungeniertheit, mit der die wenigen Dekorationsstücke karrenmäßig hereingerollt werden. … Es war ein Versuch, wir wollen nicht gleich richten und hinrichten, … Erfrischung und Genuss waren schon da, wenn die Leute einmal nicht mehr redeten oder die mindestens sehr naive Handlung abstoppten.“ Wie alle anderen Kritiker der „Sturmflut“ wollte Eloesser die Innovation Piscators nicht unkommentiert lassen: „Grundsätzlich meine ich immer noch, dass das Theater dem Film auch nicht einen Zollbreit seiner Bretter abtreten soll, weil beide sich ausschließen, weil das eine auf einem symbolischen, das andere auf einem wirklichen Schauplatz spielt, weil das eine das innere, das andere das äußere Auge beschäftigt, weil das eine die Phantasie erregt, das andere sie füttert, so dass man auf die eine Weise aktiv, auf die andere passiv gemacht werden kann.“

Man tut Alfons Paquet, das sei abschließend betont, keinen Gefallen, wenn man ihm Leistungen zuschreibt, die er selbst nie für sich in Anspruch genommen hätte. Ich stieß bei Recherchen für diesen kleinen Beitrag zum 80. Todestag von Paquet auf die Behauptung eines lebenden Professors für neue deutsche Literatur, nicht Brecht, sondern Paquet habe die Theorie des epischen Theaters erfunden. Einmal ganz abgesehen davon, dass Theorien im allgemeinen nicht erfunden werden, ist auch im speziellen Fall die Aussage allenfalls von Provokationswert. So weit ich weiß, hat nicht einmal Brecht selbst ein Urheberrecht auf seine Theorie angemeldet und sich in seiner Praxis öfter theaterpraktisch verhalten, als der Theorie je hätte lieb sein dürfen. Arthur Eloesser nahm die „Sturmflut“ immerhin zum Anlass, Grundsätze zu formulieren, die man ihm als Verfasser von gesichert mehr als 1000 Theaterkritiken wohl abnehmen darf: „Die Bühne dankt ab, wenn sie auf die Magie des Wortes verzichtet, das unser Ohr auch zu einem geistigen Auge macht.“ Und er war der Überzeugung, dass es „besonders schlechte, gedachte, unsinnliche Stücke sind, die sich mit dem Film kopulieren lassen.“ Vielleicht liegen im Nachlass Paquets in Frankfurt am Main Dokumente, die vorführen, wie er auf seine Kritiker reagierte, mir käme jeder Hinweis jederzeit gelegen.


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