Ruhm und Gackern

Ist Detlef Wiertz, der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse, tatsächlich krank, wenn er eine Woche nicht in der Zeitung abgebildet wird? Hat Andreas Enkelmann, der SPD-Landtagsabgeordnete, in der Tat seinen populistischen Blaumann beim Schuster vergessen, wenn er mit Frack und Fliege im Schlamm der Fische und im Dung der Pferde steht? Hat Siegfried Jaschke, der CDU-Landtagsabgeordnete, einmal doch den Sekundenbruchteil verpasst, den ein fotografischer Lamellenverschluss braucht, um die Szene auf den Film zu bannen und fehlt deshalb unter den Sichtbaren dieser Tage? Brecht hätte einen Zeitung lesenden Arbeiter dies nicht eigens fragen lassen, weil es neben der lokalpolitischen Abbildungshäufigkeit doch noch andere Dinge im Leben gibt. Manche Leser unseres täglichen Produktes aber beschäftigen sich sehr ernsthaft mit diesen welthistorischen Themen. Eine Verfasserin eines anonymen Briefes, die sich selbst als Unternehmerin bezeichnet und mit vielen Fragezeichen arbeitet, kaut schwer am Sponsoring der Sparkasse. Sie teilt mit, dass es im Kreis auch noch andere Banken gibt und meint, es wäre gut, Gelder erst auszugeben, wenn 70 Prozent aller Sparer damit einverstanden sind. Selbstverständlich ist die Dame (falls es eine ist) nicht gegen Spenden. Sie ist aber gegen die wahllose Vergabe von solchen und weiß, dass ihr niemand etwas gibt, wenn es ihr schlecht geht. Dies sind, liebe unbekannte Autorin, die Härten dieses frei gewählten Lebens. All die Kulturvereine und Sportvereine, all die sozialen Einrichtungen, die ohne Sponsoring ihren Geist längst aufgegeben hätten, wären wohl stark begeistert, wenn vor jeder Morgengabe einer Sparkasse eine Art Volksbefragung durchgeführt werden müsste. Stromtechnisch gesprochen leuchtet dort die Lampe, wo Saft auf der Leitung ist. Will sagen, dass natürlich ein jeglicher die Möglichkeit hat, mit seinen Ruhmestaten in die vergängliche Säulenhalle eines gedruckten Lokalteils einzurücken und mit der Dichte der Ruhmestaten nimmt halt auch die Erscheinungsdichte zu. Am Ende glauben wir alle uns erwachsen genug zu scheiden, wo Pose ist, wo einfach nur das Licht unterm Scheffel hervorgeholt wird oder wo am Ende das Gackern ganz natürlicherweise zum Eierlegen gehört.

* zuerst erschienen: Freies Wort, 18. Januar 1997, Wiederabdruck in: Eckhard Ullrich:

Aus Ecken und Kanten ein Kreis, Escher Taschenbuch 2004


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