Schulnetz, nein danke

Nein, ich werfe mich nicht täglich auf meinen Gebetsteppich gen Mekka und Medina, um Allah zu danken, dass er mich von Schulnetzdebatten befreit hat. Was habe ich da gesessen voll Mitleid für den jeweiligen Prügelknaben vom Amt, der sich wortgleiche Vorwürfe anzuhören hatte im Vollzug demokratischen Procederes. Immer wieder waren die Amtsvertreter und der Einfachheit halber auch gleich der Repräsentant des Schulausschusses mit unfassbarer Dummheit geschlagen. Nicht einmal einfache Additionen brachten sie zustande, ihre Schülerzahlen waren immer falsch, die angesetzten Sanierungskosten immer weitaus zu hoch. Und da die seltsamerweise immer von studierten Mitarbeitern des Bauamtes stammten, erwies sich, dass auch Bauingenieure und Bauökonomen per Definition Holzköpfe sind. Sie ahnen nie, dass eine Kommune mit einem Haushalt, der kaum für die Heizkosten einer mittelprächtig gefüllten Kinderkrippe reichen würde, selbstverständlich in der Lage ist, im Zweifelsfall nicht nur die Schulträgerschaft zu übernehmen, sondern auch sämtliche Auflagen erfüllen würde mit einem Bruchteil der im Amt ermittelten Kosten.

Es ist, weil es schön ist, eben schön, dass ein jeglicher mehr weiß als die jeweils von Berufs wegen mit etwas Befassten. Allein der zufällige Aufstieg eines vergleichsweise normalen Menschen in den Landtag beispielsweise verwandelt eine Frau, die eben noch kein Weißbier von einem Doppelbock unterscheiden konnte, in eine Expertin für Land- und Nahrungsgüterwirtschaft, weil dieser Job in der Fraktion halt noch nicht besetzt war. Und schon flutet aus dem Büro der Dame derart geballtes Expertenwissen, dass in den Redaktionsstuben, die kein Spam-Filter vor diesem Verbalmüll schützt, der morgendliche Blick in den Mailpost-Eingang schon vorab Schweißausbrüche und Würgeanfälle auslöst.

Es ist natürlich keine schöne Sache, wenn Schulen geschlossen werden müssen. Es ist natürlich eine sehr schöne Sache, wenn man sich wie in Stützerbach in einer Schule nasse kalte Füße holen kann, ohne dass die Schulverwaltung zuvor an der Heizkostenschraube drehen musste oder den Keller fluten. Denn es ist grundsätzlich wichtig, wir denken an die Stadt mit dem schiefen Turm, dass es möglichst viele Schulen gibt, die etwas möglichst vollkommen anderes treiben als die feindlichen Schulen im Umland. Ich erinnere mich noch sehr gut, wieviel Mühe es kostete, wild gewordene Unterpörlitzer Argumentierer davon abzuhalten, die Schulen auf der Pörlitzer Höhe in Ilmenau für Horte des Verbrechens, Verdummungsanstalten und Sozialkältestationen zu halten.

Inzwischen kann man in Unterpörlitz beobachten, dass nicht nur das Dorf nicht gestorben ist, das Vereinsleben lebt, die Sporthalle wird genutzt, die Bürgermeisterin sammelt persönliche Wählerstimmen, als hätte sie das stromlose Rentnerheizkissen erfunden und alles blüht und gedeiht. Das einstige Schulgebäude hat eine schnuckelige Nachnutzung gefunden. Weder Oehrenstock noch Pennewitz wollten sterben, obwohl dort schon die uns allen bekannten finsteren Kommunisten die Schulen dicht machten, deren helle Nachfolger heute als Verein zur Schulrettung auf Stimmenfang gehen. Auch in Manebach, wo sich die Erde auftun sollte, als der Grundschule das Ende verordnet wurde, gab es weder Selbstmordwellen noch Wegzüge in Kolonnenordnung.

An den Debatten ist nichts besser geworden, seit ich sie nur noch in meiner Qualitätszeitung sporadisch verfolge. Noch immer wird die unfassbare Leistungsfähigkeit von Zwergschulen bejubelt, noch immer rufen überwiegend Rentner zum Erhalt ihrer Schule auf oder Vorruheständler, denen zu Hause die Decke auf den Kopf fällt. Eine bildungspolitische Fraktionssprecherin freilich bringt doch einen Neuwert ins Gespräch: sie nennt es Dummheit, wenn ein Landrat ein Jahr vor den Wahlen Schließungspläne realisieren will. Das aber lehrt uns, hochverehrte Frau Michaele Sojka, das auch die LINKE ihre Wertskala bürgerlich gestylt hat: ganz oben steht die Wahltaktik und nicht die Substanz, um die es geht.

Dass Schulleiterinnen das Reden verboten wird, wenn es kein Beifallsbekunden für das segensreiche Wirken der Obrigkeit darstellen könnte, überrascht, falls es denn stimmt, nur diejenigen wirklich, die die freiheitlich-demokratische Schulordnung des ersten Arbeiter-und-Bauern-Staates auf ostdeutschem Boden aus dem Blick oder dem Gedächtnis verloren haben. Die dort als allerhöchste Schulleiterin herrschende Blauhaar-Ikone war immer vollkommen begeistert, wenn ein Direktor oder eine Direktorin Zweifel oder gar Kritik äußerte. Am liebsten hätte Margot alle Zweifler und Kritiker in ihr eigenes Ministerium versetzt und ihnen Promotionsstipendien angeboten. Jetzt aber ist es anders. Eine Schulleiterin, deren Schule geschlossen wird, verliert ihren Leiterjob auf alle Fälle, ihren Job selbstredend nicht. Wenn aber dann das von Eigenmächtigkeit geschüttelte Kultusministerium den lahmen Versuch unternimmt, eine freiwerdende Leiterstelle mit ihr zu besetzen, dann muss sie, auch darüber halten uns unsere Qualitätszeitungen im Bedarfsfalle ausführlich auf dem Laufenden, dann muss sie mit Bürgerprotesten rechnen. Womit sich ein Kreis schließt. Denn natürlich weiß auch hier ein jeglicher besser, welche Leiterin, welcher Leiter zu welcher Schule passt als die Ahnungslosen in Erfurt oder Rudolstadt.

Wenn das Bürgerbegehren dann aber Erfolg hat, wenn der Benno dann aber im nächsten Jahr abgewählt wird, dann ist das Problem nicht vom Tisch. Man muss nicht vierzehn Jahre plagiatsfrei eine Habilitationsschrift über Schulnetze erarbeitet haben, um eine spezielle Vermutung einfach nicht vom Tisch zu bekommen: Nach der Rettung von Stützerbach wird es Stützerbach und Schmiedefeld vielleicht zeitnah gemeinsam entschärfen, weil die konstant hohen (besonders in Suhl) Geburtenzahlen in Thüringen aus unerfindlichen Gründen einfach um diesen Rennsteig einen Bogen machen. Die Gebietsreform hätte dann ein wahltaktisch perfektes As im Ärmel. Wir nennen alles Ilmenau, dann klappt es auch wieder mit dem Nachbarn. Oder ist das die falsche Werbung?


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