Zum vorletzten Mal Geburtstag in Ilmenau

Als Goethe im November 1796 nach der Teilnahme an drei Sitzungen des Bergbauamtes wieder die Rückreise nach Weimar antrat, mag er kaum geahnt haben, dass er Ilmenau nun fast volle siebzehn Jahre nicht mehr wiedersehen würde. Weil er aber 1813 von Stadtilm her kommend sogar seinen Geburtstag hier feierte, ist 2013 das Jahr eines kleinen Jubiläums für die Goethestadt.  Die Feier des 64. Geburtstages am 28. August 1813 war nicht nur seine dritte Geburtstagsfeier in Ilmenau nach dem 28. 1777 und dem 46. Geburtstag 1795, sie lieferte auch den Anlass für seinen insgesamt sechsundzwanzigsten und zugleich vorletzten Besuch zu Füßen des Kickelhahns.
 
Das weltgeschichtlich bedeutsame Jahr 1813 begann für Goethe mit einem Verlust. Am 20. Januar starb in Weimar Christoph Martin Wieland knapp acht Monate vor seinem achtzigsten Geburtstag. An der Beerdigung in Oßmannstedt nahm Goethe nicht teil, er schickte seinen Sohn August und ließ sich von ihm berichten. Weil Johannes Daniel Falk (1768 bis 1826) just an diesem Tag bei Goethe war und sich wie immer in solchen Fällen ausführliche Gesprächsnotizen machte, die in Goethes Todesjahr 1832 erstmals veröffentlicht wurden, wissen wir von Goethes Sicht auf den großen Vorläufer und Freund an diesem Tag ziemlich viel. Wir wissen auch, was August seinem Vater berichtete und dass der genau an diesem 25. Januar den Tod einen „mittelmäßigen Portraitmaler“ nannte.
 
Schon kurz darauf begann Goethe dann jene Rede auszuarbeiten, die unter dem Titel „Zum brüderlichen Andenken Wielands“ Berühmtheit erlangte. Er trug sie im Rahmen einer Trauerloge am 18. Februar vor und ließ sie separat drucken. Den Anblick des toten Wieland, der im Wittumspalais aufgebahrt worden war, hatte er sich ebenso erspart wie den Anblick des toten Herder oder des toten Schiller Jahre zuvor. Die Reihe der alten Bekannten und Freunde lichtete sich mehr und mehr. Gründe für bestimmte regelmäßige Unternehmungen entfielen so. Und deshalb war 1813 für Goethe auch das Jahr seines für eine Weile letzten Aufenthaltes in Böhmen. Zwar verbrachte er, der zunächst gar nicht reisen wollte, vom 26. April bis zum 10. August wieder volle 107 Tage in Teplitz und Umgebung, nur drei seiner zahlreichen Böhmenreisen dauerten noch länger, doch fehlte ihm die 1812 gestorbene Marianne von Eybenberg mehr als er sich eingestehen mochte.
 
So ließ er sich keine drei Wochen nach seiner Heimkehr auf die Fahrt in die Vergangenheit nach Ilmenau ein. Der Entschluss fiel kurzfristig und schon wenige Jahre später, als er seine Notizen für die „Tag- und Jahreshefte“ ordnete, war unter der Jahreszahl 1813 diese Tour inklusive der Geburtstagsfeier mit Herzog, Ständchen, Felsenkellerlustbarkeiten keine Erwähnung mehr wert. Für Ilmenau freilich bleibt die zweihundertste Wiederkehr dieser paar Tage Ende August, Anfang September 1813 auf alle Fälle ein Fixpunkt im Goethe-Kalender. Und liefert durch seine kurios-seltsame Lage genau 18 Jahre nach dem vorigen und genau 18 Jahre vor dem letzten Ilmenauer Geburtstag immer wieder Anlass zu Spekulationen. Die deprimierenden Tage des endgültigen Abschieds vom Ilmenauer Bergbau waren 1813 weit genug entfernt, wenn auch ganz sicher nicht vergessen. An Gattin Christiane in Weimar jedenfalls schrieb Goethe zwei entspannte Briefe. TA wird zum gegebenen Zeitpunkt darauf zurückkommen.
  Zuerst veröffentlicht in: Thüringer Allgemeine am 5. Januar 2013


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