Gottfried Keller: Am Mythenstein

Befragte man einen leidlich eingefleischten Alt-Marxisten, was er mit der Jahreszahl 1859 verbinde, wird er mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit wie aus leicht rostiger Pistole geschossen antworten: Das klassische Buch „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ von Karl Marx. Wohlan, wer je eine Dissertation verfasste im Herrschaftsbereich des Dialektischen und Historischen Materialismus, die sich dem Thema Fortschritt, Fortschrittstheorie, Fortschrittsideen im Lauf der Geschichte seit der Antike widmete, wie ich es ein paar Jahre tat, der kannte den Wortlaut des Vorworts dazu in seinen wichtigsten Passagen auswendig wie der Sonntagsschüler seinen Katechismus. Mit Blick in einen etwas erweiterten Tunnel aber würden andere Eingefleischte bildungssatt rufen: 1859 war das große nationale Schillerjahr im kleinteiligen, eine Nation erst werden wollenden Deutschland, so groß, dass es gleich den deutschen Sprachraum insgesamt umgriff, die Schweiz inklusive. Denn dort gab es zum 100. Geburtstag Friedrich Schillers auch eine Feier, eine repräsentative. Und wo in der Schweiz hätte eine repräsentative Schillerfeier einen besseren Ort zu finden als auf der Rütliwiese?

Ob Gottfried Keller, der Züricher, im November 1859 auf der Rütliwiese stand, die zu diesem Zeitpunkt schon ein Jahr lang unveräußerliches Nationaleigentum des Bundes war, nachdem ein Verein, die Schweizer Gemeinnützige Gesellschaft, fast im letzten Moment den Bau eines Hotels 1858 verhindert hatte, dessen Grundmauern schon standen, ist nicht sicher. Die Einweihung des Schillerdenkmals ganz in der Nähe und knapp ein Jahr später hat er jedenfalls selbst erlebt. Er schrieb zweimal darüber, beide Male für Blätter Georg von Cottas, Inhaber des berühmten Schiller-Verlags: zunächst und kurz für die „Augsburger Allgemeine Zeitung“, nach einer Weile dann ausführlich und weit über den Anlass hinausgehend für das „Morgenblatt für die gebildeten Stände“. Ich gestehe, dass mir allein der Titel dieses Blattes schon Wohlgefühle verursacht: es gab also eine Zeit, da man sich nicht nur nicht schämte, den gebildeten Ständen anzugehören, man konnte mittels Subskription sich dies sogar selbst einreden. Gegen solchen Zeitschriftentitel würde heute der/die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung von Amts wegen einschreiten.

Der Aufsatz „Am Mythenstein“, im „Morgenblatt für die gebildeten Stände“ in zwei Portionen geteilt wegen seiner doch erheblichen Länge, erschien zuerst am 2. und am 9. April 1861, der Kurzreport stand am 29. Oktober 1860 in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“, genau eine Woche nach der Ernennung des Mythensteins zum „Schillerstein“. Das galt damals noch als aktuell, heute würde jeder halbgewalkte stellvertretende Lokalchefredakteur seinen Reporter abmahnen: er hätte seinen Bericht ja mit einer von einem Wanderfalken gejagten Brieftaube vom Vierwaldstätter See nach Augsburg expedieren können. Ich kannte selbst einst einen Chefredakteur, der mich allen Ernstes fragte, warum ich nicht bis 15 Uhr einen Bericht per Telefon durchgegeben hätte, obwohl er wissen musste, dass ich über kein Telefon verfügte und das Berichtsereignis erst 16 Uhr begann. Selige Zeiten für Gottfried Keller, der aus Dankbarkeit freilich noch in der Langfassung jeden Namen und Titel nannte, den er protokollarisch für wichtig wähnte, vor allem die Repräsentanten drei Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden als die maßgeblichen Schirmherren und Veranstalter.

„Am Mythenstein“ ist ein in gleich mehrfacher Hinsicht faszinierender Text. Für mich schon allein deshalb, weil ich den Stein aus Fern- und Nahsicht kenne, weil ich die Rütliwiese von Seelisberg her zu Fuß kommend ebenso kenne wie von Brunnen her mit dem Schiff kommend. Die goldene Inschrift leuchtet, die da lautet „Dem Sänger Tells, F. Schiller, die Urkantone“, es handelt sich, las ich, um vergoldete Metallbuchstaben, die bei bestimmtem Sonnenlichteinfall prächtig-mächtig glänzen. Für Augenschein-Nehmer, denen die Gegenden noch fremd sind, empfehle ich ein Buch aus dem Stuttgarter Ernst Klett Verlag für Wissen und Bildung, 1990 erschienen. Geschrieben hat es Hans Georg Müller, es trägt den Titel „Mit Wilhelm Tell um den Vierwaldstätter See“ und gehört zur Buchreihe „Literaturreisen. Wege. Orte. Texte“ Das Buch enthält im Blaudruck sogar weite Teile des Schillerschen „Tell“. Es empfiehlt nicht weniger als sechs Routen zwischen, die äußerste Seeausdehnung zu nehmen, Altdorf und Küssnacht, wobei Altdorf natürlich von Flüelen her erst eigens erreicht werden muss. Es lohnt sich jeder einzelne Gedenk-Ort. Wie Schiller natürlich auch.

Bei dem nimmt auch Gottfried Keller seinen Ausgang, wie könnte es anders sein. Und schon die ersten Seiten des Aufsatzes zeigen: er tut es auf seine ganz eigene Art. Denn die protokollarische Vollständigkeit des Festberichts ironisiert er auf eine Weise mit Details, die seinen ganz besonderen Humor zeigen, den feinen, den unpenetranten, den, der es nicht nötig hat, den kritischen Reporter heraushängen zu lassen. Man laberte damals noch nicht von vierten Mächten im Staate, man biss sich noch nicht medial in der Wade eines Landammannes fest, nur weil der einen Satz gesagt hatte, den man selbst nicht gesagt oder geschrieben haben würde. Von Ziegen schreibt Keller, dreien an Zahl, „welche in Turmeshöhe an der Wand über uns hingen und kein Auge von dem Vorgange verwandten in völligem Erstaunen.“ Vom Hirtenmädchen schreibt Keller: „... und sein Augenpaar hing verwundert an dem großen goldenen Wort Schiller, das unten über den See hin glänzte. Es war, als ob das Auge der großen Natur selbst sich die Neuigkeit betrachtete.“ Das Pathos ist somit gebrochen ohne jeden prahlerischen Gestus: jetzt bürste ich aber einmal straff gegen allen Strich.

Gottfried Keller war, das überrascht, gelegentlich ein hervorragender Reporter. Das schließt ein, schon vorher in dem Stoff zu stehen, auf den er sich dann selbst erlebend einlässt. Der Verleger Georg von Cotta wäre vermutlich nie auf die Idee gekommen, es sei pfiffig, einen Volksmusik-Journalisten nach Wacken zu schicken, heute ist das journalistische Grundnorm, gerade weil es als pfiffig gilt. Keller also kennt seinen „Wilhelm Tell“ natürlich, kennt seinen Schiller natürlich und zwar keineswegs nur den Tell-Schiller. So ist es eben nicht anmaßend, wenn er den verlesenen Brief von Schillers Tochter Emilie von Gleichen-Rußwurm (1804 – 1872), das Grußwort gewissermaßen in direkter Linie, milde kritisch kommentiert, wieder ohne sich deshalb in die Brust zu werfen. Die Tochter hatte das Wort „leider“ einfließen lassen, leider habe Friedrich Schiller den Ort des Geschehens nie gesehen. Und Keller? Statt nun die üblichen Geschichten auszubreiten von den Karten an Schillers Arbeitszimmerwänden, von den studierten Büchern, vielleicht gar von Goethes Generosität, Schiller den Stoff überlassen zu haben, sieht er den Mangel in positiver Perspektive.

„Schiller war, als er abscheiden musste, zu einer Reife gediehen, von jedem gegebenen Punkte aus die Welt treu und ideal zugleich aufzubauen. Der „Tell“ war nicht ein einzelnes Ergebnis günstiger Umstände“, so Keller, und: „Schiller hat die Schweiz nie leiblich gesehen; aber um so gewisser wird sein Geist über die sonnigen Halden wandeln und mit dem Sturme durch die Felsschluchten fahren, auch nachdem der Mythenstein endlich lange verwittert und zerbröckelt sein wird.“ Keller verweist auf grandiose Szenen aus dem unvollendetem „Demetrius“, auch dort auf Schauplätzen, die der Dichter nie sah. Und so stehe ich nicht an, jeden von Kellers Sätzen über „Wilhelm Tell“ und seinen Schöpfer für wichtiger zu halten als fast alles, was professionelle Schlaumeierei sich abrang für Festschriften und Sammelbände mit verstreuten Aufsätzen. Noch die Assoziationen, die er einstreut, haben frappierende Substanz, so, während er gen Schwyz wandert: „Wer hätte es dieser Stille, diesem sonnigen Frieden angesehen, dass nur aus den Tälern von Schwyz seit vier Jahrhunderten so viele Tausende von Kriegsmännern und Totschlägern hervorgegangen sind?“

Das ist kein billiger Pazifismus, weil die Schweizer Söldner-Tradition neben anderem auch diese Folge hatte: „Übrigens legte der Kriegsdienst den Grund zu der Weltkenntnis der Schweizer, die heutzutage durch ihre Industrie und ihren Handel festgehalten wird“. Man könnte hier zwanglos jenen berühmtesten aller Marx-Sätze zum Thema Fortschritt zitieren, der allerdings nicht im erwähnten Vorwort, sondern in der Schrift „Die künftigen Ergebnisse der britischen Herrschaft in Indien“ sich findet, demzufolge künftig „der menschliche Fortschritt nicht mehr jenem scheußlichen heidnischen Götzen gleichen wird, der den Nektar nur aus den Schädeln Erschlagener trinken wollte.“ Soll an dieser Stelle heißen: Man muss nicht bis Indien, um die Marxsche Schädeltheorie bestätigt zu finden. Kellers eigene Weltkenntnis, es sei daran erinnert, bewegte sich eher in den Horizonten Schillers. „Wer es haben kann, der gehe auch sein Jahr nach Italien, wer's aber nicht haben kann, der halte sich darum nicht für einen unglückseligen Tropf, sondern mache sich Haus und Garten zu seinem Morgen- und Abendland.“ schreibt er deshalb selbstbewusst, gar trotzig.

Und er blickt zurück, neben Schiller auch zweifellos Goethe meinend: „Es war eben noch die Zeit, wo große Dichter jahrelang nicht dazu kamen, die alte Mutter zu sehen, die im nächsten deutschen Ländchen wohnte, und dennoch Welt und Leben mit einer so sichern Ahnung, mit einem Hellsehen erfassten, wovon der, so die Nase unmittelbar in alles stecken muss, seinerseits keine Ahnung hat.“ Das verbindet Keller nahtlos mit Kritik an seinen dichtenden Zeitgenossen: „Unsere heutigen Dichter verreisen jeden Taler, den sie aufbringen können! Das ist ein ewiges Hin- und Herrutschen, man muss sich ordentlich schämen zu sagen: ich bin noch nie da und bin noch nie dort gewesen“. Für den Schweizer Germanisten Emil Ermatinger (1873 – 1953) war die Kollegen-Schelte fast das einzige, was ihm „Am Mythenstein“ auffiel. Was ihm nicht ansatzweise auffiel, wird peinlich deutlich, wenn man sieht, was etwa Gerhard Kaiser an diesem Aufsatz bemerkenswert fand, dazu weiter unten. Keller selbst aber, der Züricher, braucht nicht viele Sätze, um von den Urkantonen und ihrer Rolle in der Eidgenossenschaft einst und jetzt zu Aussagen zu gelangen, die brandheiß wirken.

Zunächst registriert er nüchtern: „Die Urkantone haben in der schweizerischen Gesamtpolitik ihre souveränen Stimmen verloren und zählen nur noch nach Köpfen.“ Um dem weiten Rest der Schweiz sofort ans Herz zu leben: „Dagegen ist es rätlich für die übrigen Kantone, sie in der Behauptung des Eigentümlichen, das ihnen geblieben ist, zum Muster zu nehmen und sie darum zu ehren, statt mitleidig über sie hinwegzusehen.“ Prägnanter und klüger, schon gar nicht in nur einem Satz, kann das heute auch kein guter Europa-Politiker in Straßburg oder Brüssel sagen, wenn es um ein Europa der Regionen geht. Von den schlechten reden wir gar nicht erst. Dazu passt auch ein netter Seitenhieb gegen die alemannisch sprachverwandten Schwaben: „Dieses alte Wahrzeichen der Schweizer, die Kuh, ist übrigens nicht so lächerlich, wie es unsere Nachbarn, die Schwaben, seit Jahrhunderten uns aufgesalzt haben. Tiere, die leicht und anmutig über Planken setzen und sich, dem Rotwilde gleich, mit dem Hinterfuß am Ohre kratzen, sind etwas ganz anderes als die trägen Stallbewohner der Ebene.“ Keller hatte beobachtet, wie Kühe das Schiff bestiegen gen Flüelen.

Damit verlässt er den Anlass seines Aufsatzes endgültig und geht zu einem scheinbar ganz anderen Anliegen über, von dem man vermuten darf, es sei das eigentliche gewesen, auch wenn es keinerlei Quellen gibt, die das belegen. Ich zitiere Gerhard Kaiser: „Es vollzieht sich nichts anderes als die Geburt der Tragödie aus dem Geist des Gesangs- und Turnvereins, wobei der Liberalismus in regressive und totalitäre Räusche umzukippen droht, die Subjektivität des Künstlers selig gelöst im großen Mutterschoß des Festes.“ Es vollzieht sich meint: Keller entwickelt eine Art Vision, wie eine andere, eine neue, eine nationale Tragödie entstehen könnte. Thomas Roffler erkennt darin „eines der bedeutendsten, bezeichnenderweise theoretischen Ergebnisse von Kellers Bemühungen um das Drama“. Bezeichnenderweise, weil Keller praktisch als Bühnenautor und Theatermann scheiterte wie er auch als Maler scheiterte. Adolf Muschg sieht in seinem Keller-Buch im Aufsatz „ein noch kühneres – und in Kellers Werk einmaliges – Projekt für die staatliche Zukunft. Er sieht das Schillerfest als Nukleus einer Festivität im nationalen Maßstab“. Tiefer sieht Muschg aber nicht.

Das tut, in dem er auf die Implikationen aufmerksam macht, die Gottfried Kellers detailreich bis in inszenatorische Einzelheiten entworfene Feste haben, eben Gerhard Kaiser. Er lenkt, nachdem er eben noch auf die Linie aufmerksam macht, die von Kellers Roman „Der Gründe Heinrich“ zum Aufsatz „Am Mythenstein“ führt, den Blick ins zwanzigste Jahrhundert: „Die grausige Realität der ästhetischen Zelebrierung der Masse und des Massenhaften im 20. Jahrhundert ist Keller erspart geblieben, zusamt der Begegnung mit den Übermenschen, die auf der Woge solchen Volksmeers schwimmen.“ In der Tat: die Massenchöre, von denen der Dichter fabuliert, die Farbenspiele der festlich ausstaffierten Massen, Musik, Lieder, Choreographien, die ihm vorschweben, sie erinnern den Zeitzeugen des Jahrhunderts nach Keller frappierend an die Turn- und Sportfeste, die sich in der DDR die Parteiführung mit Walter Ulbricht an der Spitze vorführen ließ, an Moskauer Arbeiter-Spartakiaden unter Stalin, die wiederum Hitler so begeisterten, dass er Großaufmärsche und die Olympiade 1936 so gestaltete, aktuell an kommunistische Parteitage in Peking oder Pjöngjang.

Gottfried Keller kann man daraus keinen Vorwurf basteln, ich bin mir aber keineswegs völlig sicher, dass ihn die aufgezählten Spektakel abgestoßen hätten, empört. Ich glaube aber, ein Indiz in seinem Aufsatz selbst gefunden zu haben, dass es ihn mindestens irritiert hätte. Schrieb er doch fast zum Ende seiner Vision: „Eine einseitige Festvirtuosität ohne dazugehörendes Lebensgeschick wäre kein Heil. Wer vom Nationalfeste in die Unzufriedenheit des bürgerlichen Elendes zurückkehren muss, dem ist es nur eine niedrige Betäubung, oft die Quelle neuer Bitterkeit und Schmach.“ Diese Erfahrung machte beispielsweise das Territorium der DDR, nachdem es mit der alten BRD vereint war: es gab eine fast explosiv aufblühende Festkultur in buchstäblich jedem Dorf, die besonders in den ersten Jahren mit der neuen Massenarbeitslosigkeit, mit teilweise radikaler Deindustrialisierung einherging und so eben, in Kellers Worten, kein „dazugehörendes Lebensgeschick“ aufweisen konnte. So weit Gottfried Keller aber aus den großen Nationalfesten am Ende auch den großen Einzelautor herauswachsen sah, bot er auf seine Weise eine Antwort auf eine alte Goethe-Frage.

Der hatte bekanntlich nach den Bedingungen gefragt, unter denen sich eine Nationalliteratur, ein Nationalautor entwickeln könne und war am Ende zu der Einsicht, einer allerdings sehr persönlichen, für ihn sehr typischen Antwort gekommen: Man wolle sich die Heraufkunft dieser Umwälzungen nicht wünschen. Keller dagegen entwarf eine gewissermaßen urfriedliche Perspektive dafür und sie wiederholte auf aktueller schweizerischer Grundlage, was fern in altgriechischen, in homerischen Zeiten vom Chor zur Tragödie geführt hatte, soweit es jedenfalls die einschlägigen Historiker erklärten. Und wieder findet sich ein Satz, der seltsam prophetisch klingt: „Dennoch dürfte gerade das Schauspiel diejenige Kunst sein, in welcher das Schweizervolk mit der Zeit etwas Eigenes und Ursprüngliches erwarten kann“. Man muss nicht eigens die Namen Frisch und Dürrenmatt nennen. „Wer einmal Luftschlösser baut, kann nicht kühn genug sein.“ Das sollte man Gottfried Keller zugestehen. Aber auch nicht verschweigen, dass er Männer bis viermal, Frauen nur höchstens zweimal an den großen Festen teilnehmen lassen wollte, besser nur einmal.

Gerhard Kaiser kommt gegen Ende seiner Erörterungen zu „Am Mythenstein“ zu diesem Fazit: „Wie das Tellfest des „Grünen Heinrich“ im nächtlichen Chorgesang des Volks aufgipfelt, wie der grüne Heinrich vom Chorgesang der Sippe im Heimatdorf träumt, wie Keller am „Mythenstein“ in der Vision übermächtiger Volkschöre schwelgt, das erweist den Chor als zentrales Kellersches Sinnbild der Geborgenheit im Schoß der Gesellschaft, des Vaterlandes auf der Muttererde.“ Ich gestehe, das mich das sowohl überzeugt als auch unberührt lässt. Kaisers Verweise auf den von Keller selbst verschwiegenen Zusammenhang mit Jean-Jacques Rousseau dagegen haben mich neugierig gemacht. Wenn Keller sich ohne jeden Verweis auf eine sehr berühmte und dennoch ins Deutsche, wenn meine Recherchen stimmen, seit 250 Jahren nicht mehr übertragene Schrift des „Bürgers von Genf“ bezog, dann ist das aufregend. Rousseau polemisierte gegen d'Alembert und dessen Genf-Artikel für die Enzyklopädie. In seinem Brief an den einstigen Mitstreiter ging es um die Errichtung eines Theaters, gegen das Rousseau alle Beredsamkeit aufbot. Kellers Argumente in seinem Aufsatz ähneln denen Rousseaus sehr, schreibt Kaiser. Ich hätte es gern überprüft.


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