Feinde der Zote

Mit dem heutigen Tag hat sie uns also wieder, die närrische Zeit. Die Herren und Damen Bürgermeister reichen heute in lichten Scharen die eigens zu diesem Zweck vorrätig gehaltenen Riesenschlüssel an die jeweiligen Häuptlinge der Karnevalsvereine weiter, die meistens Präsident genannt werden. Die Zahl jener Scherzkekse, die heute bei passender Gelegenheit in der einen oder anderen Form darauf hinweisen werden, dass Narretei ja zum Normalhaushalt einer jeden Verwaltung gehöre, wird sich im zweistelligen Bereich bewegen und wie in jedem Jahr werden Zuhörer in dreistelliger Größenordnung an ebendieser Stelle pflichtschuldigst lachen. Wir haben in den zurückliegenden Jahrmillionen gelernt, dass deutscher Humor eine sehr ernste Sache ist. Wir wissen, dass Karnevalisten nur noch von Chorsängern hinsichtlich der Grundgeschwindigkeit übertroffen werden, mit der sie beleidigt sind, falls man ihnen nicht gebührend das Wänglein krault.  Wir wissen seit dem Sieg des Reichsbedenkenträgertums über den menschlichen Umgang mit der Welt und den Mitmenschen, dass deutscher Fasching und jene widerwärtige Denkungsmenkenke, für die es zwar kein deutsches Wort, wohl aber ein deutsches Trägertum gibt, nämlich „political correctness“, nicht unter einen Helm  zu bringen sind. Biblisch gesprochen: Eher gehen sieben Breitmaulnashörner im Gespann nebeneinander durch ein Nadelöhr aus Ichtershausen, als dass sich Fasching und die schon genannte „Korrektheit“ in genannter Weise verbrümmseln lassen. Wenn ich ein Karnevalist wäre, würde ich mich dadurch nicht beunruhigen lassen. Ich würde meine Kreise ziehen und sagen: Kurt Tucholsky wusste schon, warum er sich umbrachte. Weil immer die halbe Nation auf dem Sofa sitzt und übel nimmt. Das steht heute vermutlich sogar irgendwo im Internet, wird allerdings wegen seiner nestbeschmutzenden Tendenz eher weniger häufig zitiert. Der Bedenkenträger würde, dessen bin ich mir völlig gewiss, wahrscheinlich noch nicht einmal dann über sich selbst lachen können, wenn erwiesen wäre, dass das die Krebsresistenz erhöht. Wohlan denn, Feinde des Flachwitzes und der dämlichen Zote, eure Zeit kommt: Ihr dürft euch schwarz ärgern. 
Zuerst veröffentlicht am 11. 11. 2000 in FREIES WORT, Kolumne WOCHEN-THEMA,
Nachdruck in: Eckhard Ullrich: Ein Kreis mit Ecken und Kanten, Escher Verlag 2004


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