Max Frisch 100

Andere, nehmen wir nur Ernst Jünger, Elfriede Brüning und Hans-Georg Gadamer, der Disparatheit wegen, haben es geschafft, 100 zu werden, ohne vorher zu sterben. Max Frisch hat sich eher ans Herkommen gehalten. Und, Kalauer, es ist ihm trotz Todes gelungen, Frisch zu bleiben. Da gibt es deutlich Jüngere, denen es schon aus dem Stehkragen müffeln würde, wenn sie denn einen trügen. Max aber, dem Wolfgang Hildesheimner einst einige Mitteilungen über den Stand der Dinge eigens zum Buch hatte binden lassen*, ist immer noch in vieler Munde.

Und wie es auch anderen so geht, wenn sie an der Reihe sind im literaturbetrieblichen Gesamtgeschäft, sie werden gewürdigt. Es gibt die üblichen Würdiger, die immer, wenn sie nach einem gefragt werden, von ihren Eindrücken beim Wiederlesen sprechen. Man kennt diese Typen, sie haben immer alles schon längst gelesen, weswegen sie jetzt eben alles nur noch wieder lesen müssen, um zu ihrer Meinung zu gelangen.

Die Spezialisten für Biographie-Rezension sind wie immer in solchen Fälle in die Rolle des tapferen Schneiderleins versetzt, sie müssen drei bis sieben „Fliegen“ mit einer Klappe erschlagen, die nennt sich dann Sammelrezension. Dies ist die Strafe der freien Marktwirtschaft im Buchwesen für das Schielen nach Verkaufserfolg. Ob es freilich besser wäre, wenn in einem Fünf-Jahresplan für Biographie-Produktion festgelegt würde, welcher glückliche Autor bei welchem glücklichen Verlag den Zuschlag zu bekommen habe, ist nicht einmal wirklich fraglich. Sei's drum.

Max, der Mann mit der Pfeife und den Frauen, die derzeit interessanter scheinen als die Pfeife und vor allem das Werk, hat ja richtig gute Bücher geschrieben und richtig gute Sachen gesagt. Ich nehme nur mein Lieblingszitat, zu finden im Tagebuch von 1949: „Dann aber, und das ist das Erlösende der wirklichen Bewunderung, gibt es solche, die uns von jedem Vergleiche befreien; der Unterschied ist unerbittlich klar: wir gehen – er fliegt...“. Frisch bezog das auf Georg Trakl und ich habe das in grauen Vorzeiten zu Trakls 100. Geburtstag 1987 im Sonntag** zitiert. Es ist müßig und wäre allzu vordergründig, nun meinerseits ihn zum Fliegenden zu ernennen. Uns Fußgängern freilich geziemt es schon, bisweilen zu rekapitulieren, dass es nicht die Erde ist, die bis an unsere Sohlen reicht, sondern wir es sind, die auf ihr stehen, ohne je den Verdacht zu erwecken, wir könnten Antäus sein, der Riesen-Stämmer.

Suhrkamp, der die Frisch-Titel hat, braucht meine Werbung nicht, zumal ich sie ohnehin nicht bezahlt bekäme. Auf einen Titel aber mache ich sehr gern aufmerksam, weil er mit dem Hinweis auf eine Reihe verbunden ist, der ich sehr verbunden bin. Es ist: MAX FRISCH, Journalistische Arbeiten 1931 – 1939, erschienen als Doppelheft 11 in: Prinzenstraße. Hannoversche Hefte zur Theatergeschichte, 2001. Ist also schon eine Weile her, wohl zum 90. Geburtstag herausgekommen. Zeit rast, nicht nur von 15. Mai zu 15. Mai.

* Wolfgang Hildesheimer: Mitteilungen an Max über den Stand der Dinge und anderes. Essay

** Sonntag, Nr. 6/ 1987 S. 12


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