Werkstattbericht

Im Sommer, also in der Zeit, in der die Zugvögel da sind, um eine begriffliche Grundlage zu bilden für das, wovon wir reden, im Sommer also, könnte ich den Strom, der meinen Wecker umtreibt bis zu dem Punkt, an dem er seine tägliche Aufgabe zu erfüllen hätte, wenn er sie noch erfüllen müsste, sparen. Ich könnte mich mit einer Initiativ-E-Mail an mein Amt für Nachhaltigkeit und erneuerbare Energie wenden und könnte sagen: Schaltet ab, diese Atommeiler. Ich brauche keinen Wecker-Strom, die verehrten Zugvögel, an deren Zählung ich gern teilgenommen hätte, wenn meine Kenntnisse gereicht hätten, den gemeinen Gartenrotschwanz vom weniger gemeinen, eher hinterhältigen, Feldrotschwanz zu unterscheiden, diese also wecken mich lange vor der Zeit an jedem verdammten Morgen der vom Montag bis Sonntag reichenden verdammten Woche. (Für Insider: Diese Formulierung ist eine Hommage an Ernest Hemingway, dessen verdammter Todestag sich an diesem verdammten Sonnabend zum verdammten fünfzigsten Male jährt.)

Ihr Gebrüll in den Bäumen, die ich selbst pflanzen half vor fast dreißig Jahren, als der real existierende Sozialismus noch glaubte, die Bäume in den Himmel wachsen lassen zu müssen, ihr Gebrüll ist ein phantastischer Wecker. Gäbe es also diesen Effekt millionenfach, könnte die R6-Batterien-Industrie auf Blasebalgbasis betrieben werden, der gesparte Strom würde vielleicht schon helfen, nach den Atommeilern auch die Braunkohlenmeiler aus dem Netz zu nehmen. Die Sommerzeit in Kombination mit dem doppelfensteresistenten Gesang der gefiederten Vogel-Machos versetzt mich in die wunderbare Lage, bereits zu einer Zeit den Schaffensprozess in Bewegung zu bringen, in der andere noch auf ihrer Nackenrolle von der anderen Zeit träumen, da es normal war, dass ein Chefredakteur seine eigene Gattin zur Stellvertreterin hatte.

Schon am frühen Morgen lese ich, bis eine erste bescheidene Idee, ein Ideenbaby sozusagen, im ideellen Fruchtwasser Blubb macht, was mich in Richtung meines Schreibtisches treibt, zwei Kippschalter, ein Druckschalter, ein dritter Kippschalter und dann ratöngelt die Maschinerie. Ich trage meinen Zugangscode ein und wenig später kann es losgehen. Das Ideenbaby hat inzwischen die Option Licht der Welt bis auf weiteres für sich verneint, ich wähle meine private Alternativ-Option: Blick auf die eingegangene Post. In guten Zeiten ist da eine E-Mail aus dem Chiemgau, eine tröstliche Zwischenauskunft von einem deutschsprachigen Theater, das sich wieder melden wird, wenn etwas mehr Zeit ist, um mich am Ende unangekündigt doch noch so zu überraschen, dass mich die Verlegenheit stottrig macht.

Dann aber die mitleidlose Botschaft: Keine Verbindung zum Internet. Nix mit Chiemgau, kein Link aus Berlin, keine Antwort aus Dresden. Sämtliche Laientricks fruchten nicht, die Jungs von der Telekom reden von einem Störfall, an dem seit Stunden gearbeitet wird. Was meine Technik entlastet, die immer unter Erstverdacht steht. Doch Stunden später immer noch nichts, Neustarts und Steckdosenentzug, die Telekom überprüft den mittlerweile nicht mehr vorhandenen Störfall, neue verdächtige Hardwarelemente werden beim Namen genannt, die ich nach dem alten Prinzip trial and error auf Milz und Leber überprüfe. Am Ende, unter Einschaltung von zwei unabhängigen Experten, ist der Täter überführt. Die Sonderermittlungseinheit übergeht, da sie mit mir identisch ist, den für mich zu verfassenden Abschlussbericht. Der Täter: USB 2.0 HUB, Made in China. Dieser elektronische Verteilungslümmel hat seinen Geist aufgegeben, möglicherweise protestiert er gegen den medialen Ai-Weiwei-Tsunami im deutschen Menschenrechtsreich.

Ich hüpfe zu später Stunde, aber vor Ladenschluss noch, in einen großen Markt und erwerbe einen neuen HUB, ebenfalls Made in China, er ist schlappe drei Euro billiger als sein verstorbener Kollege, zwischendurch habe ich, ohne HUB, per Direkteinstöpselung meines WLAN-Sticks immerhin meine E-Mails lesen können, immerhin eine Dankmail nach Memmingen geschickt, von wo mich eine DON CARLOS – DVD ereilte, plötzlich und unerwartet. Man bedankt sich, verdammt nochmal, postwendend, wenn sich die Post wenden lässt. Und zu noch späterer Stunde, ein Regen hat die Außentemperatur von 36 in der Sonne auf 18 unterm Mond gesenkt, steht mein Entschluss fest. Ich halte es wie die Fußballer und Fuballerinnen: Abhaken, nach vorn blicken, der nächste Gegner ist der wichtigste. Und der heißt morgiger Tag. Da wird alles nachgeholt, alles. Ihr könnt euch auf die Hinterbeine stellen, Singvögel. Aber auf denen steht ihr ja sowieso schon.


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