Friedrich Michael zum Gedenken (3)

Friedrich Michael, dessen Roman „Die gut empfohlene Frau“ am 10. Mai 1933 zu den von Nazis verbrannten Büchern gehörte (TA berichtete), ist nicht nur in Ilmenau geboren, er hat hier auch prägende Jahre seiner Kindheit und Jugend erlebt und sich ihrer gern erinnert. 1955, als zum 75. Geburtstag des durchaus umstrittenen Literaturhistorikers und Journalisten Paul Fechter eine Festschrift vorbereitet wurde, nannte Friedrich Michael seinen Beitrag „Liebe zur Zeitung“. Und neben den Dank, den er seinem Förderer Fechter, mit vollem Namen Paul Otto Heinrich Fechter, geboren in Elbing am 14. September 1880, gestorben zu Berlin-Lichtenrade am 9. Januar 1958, abstattete, stellte Michael eine frühe Kindheitserinnerung.

„Ist es ein Wunder? Wenn man doch schon als Dreijähriger mit der Zeitung unter einem Dach gelebt hat! Sie hieß „Die Henne“, war aber kein Haustier, sondern ein Wappenvogel, denn Ilmenau in Thüringen gehörte zur alten Grafschaft Henneberg. So stand das Tier am Kopf der Zeitung auf einem kleinen Berg, und darunter las man in der schönsten Sprache der Welt, mit der man freilich schon sehr bald neun Jahre lang gequält werden sollte, die geheimnisvollen Worte „Tuetur et auget“, die Aufforderung also, zu schützen und zu mehren.“

Kenner wissen hier sofort, wovon Michael schreibt. Denn auf dem Gelände des früheren Ilmenauer Brauhauses, von dem auch die Straße ihren Namen hatte, die später und jetzt wieder Schwanitzstraße heißt, war eine völlig neue Druckerei für die seit 1856 den Namen „Henne“ tragende Lokal-Zeitung entstanden. Dort wuchs Michael auf, ehe die Familie des späteren Medizinalrates Dr. Wilhelm Walter Michael in die Schwanitzstraße 6, eine repräsentative und wohl auch standesgemäße Villa umzog.

Schwelgerisch-schwärmerisch erinnert sich Michael an die Düfte aus der Druckerei, an die Geräusche der Maschinerie, ans Reinigen der Lettern im Hof, eine Aufgabe der Setzerlehrlinge. Und er erinnert sich natürlich auch an seine erste Begegnung mit Paul Fechter im Jahr 1934 in Leipzig: „Das meiste von dem, was ich in den beiden Jahrzehnten 1924 bis 1944 für die Zeitung geschrieben habe, ist durch Paul Fechters Hände gegangen.“ Die Ilmenauer „Henne“ war nur ein Vorspiel.

Dass Friedrich Michaels Name in seiner Geburtsstadt heute nicht mehr ganz und gar unbekannt ist, ist das Verdienst der Buchhändlerin Helena Kreibich, die auf ihn stieß Anfang 2004. Die aus den Hinterlassenschaften des Thorbecke-Verlages Sigmaringen etliche der großformatigen Bücher Michaels für ihre Bücherstube übernahm und sogar eine kleine Ausstellung im Schaufenster in der Lindenstraße gestaltete. Diese Bücher, Romane, Schauspiele und die beiden Sammlungen seiner kleinen verstreuten Texte unter den Titeln „Der Leser als Entdecker“ und „So ernst wie heiter“ sind durchaus empfehlenswerte Lektüre.

Denn Michael konnte schreiben, hatte als Mitarbeiter und später langjähriger Chef des Insel-Verlages in Wiesbaden auch hinreichend Stoff gesammelt, um immer wieder die geliebte kleine Form pflegen zu können. Einen „Lebensbericht“, den er am 23. Mai 1967 für den Rotary-Club Wiesbaden schrieb, veröffentlicht der Band „So ernst wie heiter“ erstmals in Druckform. Dort kann der Neugierige auch Ilmenau-Erinnerungen finden. Friedrich Michael starb sehr vereinsamt am 22. Juni 1986, wenige Monate vor Vollendung seines 94. Lebensjahres.
Zuerst veröffentlicht in THÜRINGER ALLGEMEINE, Ilmenau, am 22. Mai 2008,
Überschrift der Redaktion: Unter einem Dach mit der „Henne“


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