Tagebuch
1. August 2025
Heute ist angeblich der Tag des Bieres, obwohl man doch leicht nachschauen kann, dass auch der 23. April Tag des Bieres ist. Ich könnte jetzt sagen, dass bei mir immer Tag des Bieres ist, aber das würde versoffen klingen, obwohl es nur eine meiner Sammelleidenschaften beträfe. Ich muss die Biere selbst getrunken haben, deren Etiketten ich sammle. Es schenke mir also niemand welche, es sei denn auf vollen Flaschen. Für mich ist heute auch der Tag der Suchmaschine. Denn wieder einmal finde ich mich auf Trefferseite 1 und meine Mama hat nicht einen Pfennig dazu gezahlt. Ich stellte am 9. Oktober 2013 „Diderot: Der Hausvater“ ins Netz und da findet man es seither, wenn man von einem diesbezüglichen Bedürfnis befallen wird. Für mich hat das Wort Hausvater als eine Bezeichnung für Thomas Mann den Neugier-Knopf gedrückt und siehe, ich schrieb gut. (Ist nur als Scherz gedacht.) Vor 100 Jahren wurde Ernst Jandl geboren, ohne eigenes Zutun. Er hat seine Fans.
31. Juli 2025
Die zweite Staffel von „Reacher“ endet mit „Simple Man“ von Lynyrd Skynyrd, der Monat endet mit Rente auf dem Konto und der Chance, Rechnungen zu begleichen. Da soll noch einer klagen. „Zur Feier des Alltags“ abgeschlossen, es war mehr zu vergleichen und mit Quellenseiten zu versehen als noch zu lesen. Dennoch mindestens eine Überraschung. Mein Kalender 2026 weist schon zwanzig hundertste Geburtstage aus. Zu allen werde ich kaum schreiben können, für zwei aber sind neue Dateien angelegt. Zwei Herren des Jahrgangs 1926 scheinen sogar noch zu leben, einer wird nächste Woche 99 Jahre alt. In Japan lebt das älteste noch aktive Wirtsehepaar: sie 98, er 96, sie betreiben noch immer ihre Nudelküche auf Okinawa. Warum also hier keine Herren mit einer Werkgeschichte. Nachdem ich gestern über junge Löwen schrieb, hielt ich es heute mit gelben und alten Säcken. Würde ich Romane schreiben, hätte ich ein Problem mit den Themenwechseln.
30. Juli 2025
2014 erhielt er den Nobelpreis für Literatur und heute ist er 80 Jahre alt: Patrick Modiano, der Franzose. Das einzige Buch, das ich von ihm besitze, heißt „Eine Jugend“, ist dafür aber von Peter Handke übersetzt. Es trägt noch nicht einmal den Familienstempel. Dafür hinten ein Porträt des Autors als junger Mann. Ich erwarb heute die nötigen Kalender fürs kommende Jahr 2026, kann also mögliche Schreibanlässe frühzeitig eintragen. Eyvind Johnson kommt als einer der ersten hinein, Heinz Knobloch natürlich und die ganze Rasselbande des Jahrgangs 1926, soweit sie auch mich interessieren könnte. Jack London hat gleich im Januar seinen 150. Geburtstag. Es ist gut, zeitig genug daran zu denken. Meine London-Reihe über der Durchreiche ist sehr lang, Biografien liegen quer. Mangels Aldi auf der Pörlitzer Höhe ein Ausflug zu Aldi auf dem Stollen. Handwerker müssen in unseren Keller, weil ganz oben im Haus etwas undicht ist. Sie sind überpünktlich, diese Männer.
29. Juli 2025
Eyvind Johnson, Nobelpreis 1974, hätte heute 125 Kerzen auf der Geburtstagstorte. Wäre ein bisschen viel. Er starb schon 1976, das gäbe dann ein Erinnerungsdatum am 25. August. Mit den Schweden bin ich nicht so gut bestückt: Strindberg natürlich von vorn bis hinten, ein paar Bände Lagerlöf, Lagerkvist, Dagerman, Lidman. Was man so hat eben. Von Johnson nur „Die Nacht ist hier“. Schon dünn für alle Gelegenheiten. Mit „Der Blumenschwejk“ las ich heute den 8. Knobloch in unmittelbarer Folge zu Ende, besser war ich zuletzt 2009. Da hieß der Autor Erwin Strittmatter. Den ich danach leider vernachlässigen musste. Meine Kritik zur Strittmatter-Biografie von Annette Leo war einer meiner größten Klick- und Leseerfolge. Sie hat sich nie empört, so weit ich weiß, ich hatte sie wohl auf beiden linken Füßen erwischt. Wenn ich dagegen an Bärbel Balke denke, die mich bis ins achte Glied rückwärts verfluchte in einem ellenlangen Brief. Kritiker-Schicksal eben.
28. Juli 2025
Abreise und Heimreise wieder im Regen. Bis auf das letzte Drittel. Wir nutzen den günstigen Preis für Benzin. Zuvor noch einmal Kaufland, Wein und weitere Biere. 23 packe ich zu Hause auf den Küchentisch fürs Erinnerungsfoto. Vom Marienbader Schriftsteller-Rundgang fehlen mir nur noch die Tafeln Sigmund Freud, Vladimir Páral und Vitěslav Nezval. Den Orientierungsplan fand ich nicht, zwölf der fünfzehn Namen sind aber im Fotoordner Marienbad. Wir benötigen trotz Umweg übers Hermsdorfer Kreuz keine drei Stunden. Als alles ausgepackt ist und halbwegs Ordnung, lese ich „Der Neubäck“ über den Zella-Mehliser Wunderbäcker Werner Ansorg, den Knobloch gut kannte und porträtierte. Mein Foto am Karlsbader Jugendstil-Papierkorb landet wahrscheinlich auf der Berliner Knobloch-Website. 301 Kronen bleiben für das kommende Jahr. 1721 Kronen für alle Getränke auf Zimmerrechnung. In Maishofen zahlten wir jeden Abend bar. Das Mehrfache davon.
27. Juli 2025
Zu den Ausstattungs-Vorteilen unseres Hotels gehört, dass das Waschbecken im Bad dicht ist. Nicht nur Frauen schätzen das, die mal etwas auszuwaschen haben. Auch Männer, die ein Etikett von der Bierflasche lösen wollen. Jedes mehr oder minder leicht abgelöste Etikett verhindert, dass leere Pfandflaschen mit nach Hause genommen werden müssen. Wobei tschechische Etiketten als sehr sammlerfreundlich zu bezeichnen sind. Heute zum Schloss Petschau, hinwärts über Straßen, die mitgeführte Milch zu Butter schütteln würden, rückwärts dann auf besseren Pisten. Wir sehen den Maurus-Schrein, von dem wir bereits mehrfach hörten, dazu Vorgeschichte, Restaurationsgeschichte und einen netten Rundgang außen herum. Eine zweite Ausstellung heben wir uns auf. Zum letzten Abendessen sind schon etliche neue Gäste an den Tischen. Nach dem Abendessen ein letzter Gang zum singenden Brunnen. Meine Fotos diesmal überwiegend vom farbig angestrahlten Wasserspiel.
26. Juli 2025
Schon wieder der letzte Tag mit Anwendungen. Ich buche kurzfristig an der Rezeption den Ausflug nach Franzensbad und Eger. Das unsichere Wetter hält uns davon ab, zum Kammerbühl auf Goethes Spuren zu wandeln. Franzensbad kennen wir nur in klirrender Kälte und sehen es so nun in vollem Grün. Ohne vorweihnachtliche Dekoration sieht manches anders aus. Hilfreich die Erläuterung der Stadtführerin, worin sich die Trinkkuren von Karlsbad, Marienbad und Franzensbad hauptsächlich unterscheiden, Franzensbad hat nur Glaubersalz in verschiedenen Konzentrationen, durchschlagend die Wirkung in unterschiedlicher Schnelle. Fahrt nach Eger fast nur zu Einkaufszwecken, fast alle Mitfahrer sind am Vietnamesen-Markt interessiert, den wir deshalb kannten, weil wir 2023 vor der Kälte hinein flohen und dort aus lauter Verlegenheit Einlegesohlen kauften. Eine Frau schwärmte von 1993, als alles voller Vietnamesen war. Heute stellen sie 50 Prozent aller Gymnasiasten Egers.
25. Juli 2025
Nur zwei Anwendungen heute, weil wir den Ausflug nach Karlsbad gleich am Montag buchten und für den Therapieplan ansagen konnten. In Karlsbad waren wir 2013 zuletzt eine ganze Woche, jetzt einfach Neugier. Von einem Busparkplatz mit Pendelbus zum Theater, von dort Stadtrundgang und anschließend zwei Stunden Freizeit. Wir laufen zuerst bis zum Kaiserbad, um einen Papierkorb zu finden, über den Knobloch 1976 für die Wochenpost schrieb. Wir finden ihn nicht dort, aber dafür eine kenntnisreiche Frau an der Information im Bad, die uns den genauen Standort auf der Karte einzeichnet. Die Angabe war sehr exakt, der Papierkorb sieht so aus wie damals im Blatt. Allerdings jetzt nur von Rauchern für ihre Kippen genutzt. Wir sehen zuerst die umbenannte Gagarin-Halle, die Statue, nach der ich frage, ist kein Revolutionsopfer, sondern zum Flughafen umgesiedelt. Viele russische Schriftzüge an Geschäften sind verschwunden, Dankbarkeit für die Investoren blieb aber.
24. Juli 2025
An Tisch 15 in der Ecke sitzen die beiden alten Damen, die auch 2024 schon dort saßen, sie wachen sehr eifersüchtig darüber, dass sich niemand dort breit macht, stehen vor der Abendöffnung des Speisesaales bereits vor der Tür. Beide werden immer vom Personal besonders begrüßt, bisweilen setzt sich eine dritte alte Dame mit einem sehr vollen Glas Rotwein dazu. Heute 22. Todestag von Heinz Knobloch, von dem ich gleich drei Bücher zur Urlaubslektüre wählte, „Handwärmekugeln“ beende ich passend zum Tag. Vormittags bei Tesco Unmengen neuer Biersorten, dafür den Wein vergessen, aber außerhalb noch welchen gefunden. Ausflug mit dem Auto nach Königswart, Glück dort mit der Führung durch die Kuriositätenschau, wir mussten nicht lange warten. Leider nur eingeschränkt besucherfreundlich: die Führung in tschechisch, für uns Audioguide in deutsch sehr ausführlich, aber es ist nicht erwünscht, sich individuell zu bewegen. Wir hören mehr als wir sehen.
23. Juli 2025
Wassergymnastik vor dem Frühstück. Wir reden noch über den Mann, der von Beschiss sprach, weil er Kaffee und Kuchen bei der Begrüßung bezahlen musste, nur der Sekt war süß und umsonst. Die Dame vom Reisebüro hatte die Kosten angekündigt, er wollte das nicht gelten lassen, obwohl er es gehört hatte. Drei Saunagänge, es ist wie immer leer, auch im Bad sind nur zwei Frauen in der Ecke mit dem Whirlpool und unterhalten sich, als wollten sie bis Prag zu hören sein. Die Frau in der Aufsicht schaltet uns alles ein, was sie zu bieten hat und freut sich, als wir ihr danken. Ich trinke ein Bier mit Bohumil Hrabal auf dem Etikett, auch eine zweite Sorte mit ihm steht im Kühlschrank. Was für ein Segen ist dieser Kühlschrank, der in so vielen Hotels fehlt. Überhaupt die Ausstattung: das Licht an der Decke ist so hell, das es auch den Schreibtisch gut beleuchtet, eine Fehlleistung in fast allen Hotels, die wir kennen, die glauben offenbar nicht, dass sich jemand daran setzen könnte.
22. Juli 2025
Bereits 8 Uhr sollen wir bei der Ärztin vorsprechen. Sie hat alle unsere Daten noch, das ist nicht wie im Reisebüro, wo wir alle Jahre wieder alles schicken müssen wegen des Datenschutzes. Sie fragt, wie wir mit den Anwendungen zufrieden waren und verschreibt uns, was wir kennen, nur die Moor-Packung lehnen wir freundlich ab. Die Waldquelle wird uns empfohlen, sie hat den Vorteil, nahe der Rezeption aus dem Wasserhahn zu kommen. 11.15 Uhr sitzen wir im Mineralbad und ich muss an Heinz Knobloch denken, dem 1963 ausdrücklich verboten wurde, sich in der Wanne zu bewegen. Ich bewege mich auch ohne Verbot nicht, warum auch. Die Begrüßung diesmal nicht im Hotel Flora, sondern im Reitenberger. Den Rundgang anschließend nehmen wir mit, nachdem wir im Vorjahr verzichtet hatten. So wissen wir nun, dass die beiden Riesengebäude nebenan als Hotel von kasachischen Investoren saniert werden, wie zuvor auch schon das sehr noble Nabokov hinter uns.
21. Juli 2025
Diesmal ohne Umweg nach Marienbad. Die komplette Strecke im Regen, am Ziel gießt es wie aus Eimern. 12.10 Uhr passieren wir die Grenze, eine knappe Stunde später parken wir am Kaufland, um uns mit den nötigen Getränken zu versorgen. An der Rezeption ist alles vorbereitet, wir sind wieder in der zweiten Etage, nach den Zimmern 224 und 222 in den Vorjahren diesmal 209 nach vorn raus. Wir blicken auf den einstigen Kaiser-Franz-Josef-Platz, der offenbar rekonstruiert wird, einer neuer Brunnen steht schon im Rohbau in der Mitte. Wir haben sogar einen kleinen Balkon, der uns bei diesem Wetter natürlich wenig nützt. Neu ist: Wir haben für unseren ersten Besuch bei der Schwester keinen festen Termin, wir dürfen gehen, wenn wir soweit sind. Das klappt auch bestens. Neu ist auch: Am Eingang zum Speisesaal steht mahnend eine Tafel, die vermerkt, wie viel Kilo an Speiseresten gestern weggeworfen werden mussten. Wir denken gleich an die Russen des Vorjahres.